Aus leeren Augen schauen uns mehrere tausend Schädel an. Aufgestapelt, als sei die Kirche aus Knochen gebaut. Ein obszöner Anblick. Wir suchen routiniert nach Kamerapositionen und Steckdosen. Je länger wir arbeiten, desto kälter wird mir. Kann man sich den Tod, den eigenen Tod wirklich vorstellen? Einigen Schädeln fehlen die Schneidezähne. Um die Gewehre zu laden, musste man Papierhülsen mit Schießpulver aufbeißen. Sie haben sich die Schneidezähne ausgeschlagen, um untauglich zu sein. Genützt hat es ihnen nichts.
Wir drehen für eine zweiteilige Fernsehdokumentation. Es geht um Kaiser Franz Joseph und seine Zeit. Auftraggeber ist Servus TV. Solferino war Schauplatz einer der blutigsten Schlachten des 19. Jahrhunderts. Franz Joseph gegen Italiener und Franzosen. Einmal im Jahr stellen italienische Geschichtsfans die Schlacht nach. Wir stürzen uns mit der Kamera ins Getümmel. Ich habe hier ehrlich gesagt Leute mit einer leicht militaristischen Einstellung erwartet, aber das war ein dummes Vorurteil. Die Leute lieben Geschichte und haben eine kindliche Freude daran, sich zu verkleiden. Und ein Europabewusstsein, das mich rührt. Die wollen, dass Europäer sich nicht wieder für ihre jeweiligen Vaterländer gegenseitig abschlachten, so wie die Gefallenen im Beinhaus. Am Ende spielen sie die Europahymne. Lauter Applaus. Ein Italiener drückt mir die Hand und sagt, er hofft, dass Österreich bei der EU bleibt. Der Brexit hängt in der Luft wie der Pulverqualm der nachgespielten Schlacht.
Auf den Spuren des Kaisers
TV-Dokumentation, 2x50min, Servus TV
Sendetermine voraussichtlich 21. und 28.10.2016